Eigentlich bin ich kein Angsthase ... ABER ...
Mein Freund und ich waren Kinder- und Schulfreunde, viele Jahre. Mein Studium führte mich 400 km von zu Hause weg. Mein Freund ging auch seinen Weg. Letztlich waren wir beide recht erfolgreich, er wurde Vorstand einer großen deutschen Aktiengesellschaft, ich wurde CEO in einem JV einer Automobilgesellschaft. Rund 50 Jahre nach unserer Trennung, gewisse Dinge kann ich nicht vergessen - da bin ich Elefant - habe ich nach ihm gesucht und seinen Bruder auf einer Schüler- Webseite gefunden. Hatte mich mit ihm in Verbindung gesetzt und erfahren, dass er sich in Noosa/Australien niedergelassen hat. Nach wenigen Schriftwechseln kam er nach Berlin geflogen ... es war, als wären wir nie getrennt gewesen. Dann war ich mit meiner Frau mehrere Wochen bei ihm in Australien und wir beide machten eine lange Reise, auch ins Outback.
Vor 2 Jahren planten wir eine Reise "Route 66"; Flug war gebucht, Fahrzeug reserviert ... als mein Freund mich im Januar anrief und sagte, er sei auf der Treppe gestürzt und aus der Befürchtung, er könnte sich eine Rippe gebrochen haben, wurde eine Röntgenaufnahme der Brust gemacht: Lungenkrebs!!! 2 Jahre haben wir wöchentlich mehrere Stunden telefoniert (Skype), ich war bei ihm, wenn es ihm schlecht ging, ich habe mich mit ihm gefreut, wenn es ihm gut ging ...
Im März verstarb er. Leider akzeptierte mich seine Frau nicht. Der Kontakt brach ab. Ich setzte mich mit dem Sohn in Verbindung, der mir mitteilte, dass die Frau meines Freundes, seine Stiefmutter, die Herausgabe des Testamentes und weitere Informationen verweigerte. Er schaltete einen Rechtsanwalt ein, der nicht nur das Erbe klärte sondern auch ein paar persönliche Briefe, die diese Frau nicht weitergegeben hatte, verteilte. Mein Freund hatte wohl in seinen letzten Tagen einen Brief auch an mich verfasst.
Dieser Brief liegt nun schon seit ein paar Wochen ungeöffnet zu Hause. Zwei Seelen schlagen in meiner Brust: einerseits der Respekt gegenüber meinem verstorbenen Freund, andererseits das Bewusstsein, dass ein heute toter Mensch mir eine Botschaft sendet.