Musikindustrie nervt selbst Experten

Blogger-Automat

Aktives Mitglied
Da schreibt die Musikindustrie einen offenen Brief an die Bundeskanzlerin und meckert und heult was das Zeug hergibt.

Dort steht z.B. das in Deutschland 70 Prozent des Internetverkehrs auf die Nutzung meist illegaler Tauschbörsenangebote falle, bleibt aber einen konkreten Beweis dafür schuldig. Mann kann ja viel behaupten und jammern, solange es der eigenen Sache dient, warum nicht?

Auch die anderen im Brief enthaltenen Behauptungen und kranken Verknüpfungen sind nicht von schlechten Eltern.

Dieser Brief findet natürlich Gehör bei der Bundeskanzlerin (denn welcher höherer Politiker kennt sich schon ernsthaft mit dem Internet aus?) und das, wie auch der Brief selbst, ärgert natürlich solche Leute, die sich mit dem Thema auskennen wie z.B. den Rechtsprofessor und Urheberrechtsexperte Thomas Hoeren.

Der räumt im beckblock mit diesen Unwahrheiten auf und legt den Finger auf die echten Wunden der von der Musikindustrie erzeugten Wunden. So z.B., dass hier “die eigenen Haussklaven” als Unterzeichner herhalten müssen ohne dabei zu klären ob gerade diese Musiksklaven von der Musikindustrie nicht auch ordentlich bezahlt werden?

Und ich frage mich seit Einführung der CD, warum diese kleine Scheibe trotzt viel günstigerer Produktionskosten als die damalige LP, nicht günstiger, sondern zum Teil viel teurer verkauft wird? Und warum ein Künstler trotzdem dabei so gut wie gar nichts daran verdient, dafür aber Online bei einige Shops wie iTunes, doch recht hohe Gewinnanteile bekommt?

Ärgert es die Musikindustrie, dass sie den Kunden nicht mehr so schröpfen kann und das andere viel bessere Vertriebswege gefunden haben und sie schon jetzt zum Großteil ins Hintertreffen geraten sind?

Der normal Musikkonsument kauft auch weiterhin seine CDs oder Musik im Internet und im Gegensatz zu früher auch gerne DVDs. Wenn er sich dabei auch einige der Lieder aus dem Netz saugt, so ist dies auch nicht viel anders, als wen man damals die Musik auf die Kassette kopiert hat. Ja klar, heute wird viel mehr kopiert und in Top-Qualität, aber wenn ich sehe wie viel Abspielgeräte früher in einem Haushalt waren und wie sich die Teile heute im Haushalt türmen und wie jung schon heutzutage die Kinder sich Musik kaufen und bei Portalen wie Jamba abgezockt werden, dann sehe ich hier nur eine gierige Musikindustrie die einfach den Hals nicht voll kriegen kann und bei der die Kunden, wie auch die Musiker die Leidtragenden sind.

von Enriquez am 19.10.2011
 

Blogger-Automat

Aktives Mitglied
Ich weiss, dass man ziemlich alleine auf der Strasse steht, wenn man der Meinung der Musikindustrie ist. Muss man ja auch nicht unbedingt sein, aber warum soll geistiges Eigentum nicht geschützt und bei Genuss dessen entsprechend vergolten werden?
Darum hier ein kleiner Versuch andere Hintergründe, welche eher “Pro Musikindustrie” ausgelegt werden können, zu beleuchten:

Schlussendlich ist Gier nicht nur in der Musikindustrie anzutreffen, sondern überall wo Menschen sind.

Es ist ja nicht so, dass man mit dem (illegalen) Download von Musik “nur” die Musikindustrie schädigt, sondern auch Nachwuchsbands. Die Labels machen schlichte Risikoanalysen, wenn sie mit einem Newcomer einsteigen – und – sie können immer weniger Risiko eingehen, weil kein Geld (mehr) da ist. Dies widerspiegelt sich zB. gerade in nationalen Engagements der Labels – es wird überlegt (oder auch schon vollzogen), dass man an nationalen Acts nicht wirklich mehr grosses Interesse hat, da die nix (oder halt zu wenig) einbringen. Globalisierung auch hier also.

Im weiteren sind mir Fälle von Deals mit sog. Major-Labels bekannt die in etwa wie folgt aussehen:

- Du bist bei unserem Label
- Du zahlst die CD Produktion selbst
- Du bezahlst Deine Promo-Tour inkl. Musiker selbst

- Wenn Du keinen Erfolg hast: Pech für Dich
- Wenn Du Erfolg hast: Schön für uns alle

Auch hier: Kein Risiko eingehen, kein Geld ausgeben. Ich will nicht behaupten, dass es früher gut war – aber solche Gegebenheiten finde ich schockierend. Stellt’ auch mal vor was ein solcher Deal den Künstler kostet: Es geht dann gar nimmer, ausser man hat ziemlich viele Kohlen irgendwo her – und das haben die meisten eben gerade nicht.

Früher kriegten die Acts pro CD max. 2 Euronen ab, heute (bei illegalem Download) nix mehr. Dafür müssen Konzerte rentabler, sprich teurer werden, was aber häufig auch für Stöhner derselben Downloader führt.
Klar, dass man bei einem Online-Vertrieb mehr Kohle kriegen muss, es entstehen ja auch massiv weniger Kosten, um die paar Bytes runterzuladen (Produktion, Distribution, Endverteiler… entfällt).

Auf der anderen Seite führt der gegenwärtige Zustand in gewisser Weise auch zu einer Dynamisierung/Dezentralisierung der Musikbranche, was durchaus positiv ist. Man wird wieder aktiv und kreativer.

Den komischen Vergleich zwischen “Bandaufnahmen” und Musikdownload schnappe ich hier und dort immer wieder auf:

Früher musste man stundenlang vor dem Taperecorder sitzen und seine Stücke einzeln aufnehmen. Heute passiert dies in überbordender Weise schlicht automatisch während 24 Stunden. Es gibt Leute, die füllen sich ne 1 TB Harddisk einfach mal so mit Musik und nennen sich “Musikliebhaber”. Man rechne bitte einmal nach, wieviele Stunden zum “Genuss” dieser Musikmenge nötig wären! Während auf “meine” Kassette früher gerade mal 90 Minuten passten, findet sich auf einem solchen Massenspeicher Platz für mehrere Jahre Musikkonsum.

Die Aussage, dass der Normalmusikkonsument seine Musik noch immer per CD oder legalem Download bezieht ist so nicht richtig: Da sollte man einfach mal den totalen Zusammenbruch der Verkaufszahlen anschauen.
Ein ansehnlicher Vergleich könnte gemacht werden, wenn wir mal zusammentragen würden, wieviele Verkäufe ich heute brauche, um eine Chartplazierung in Deutschland zu erreichen und wie dies vor 15 Jahren aussah.

Ich bin grundsätzlich kein Mensch der Regeln und Normen, bin mir aber bewusst, dass sich die Spezies “Mensch” immer schon schwergetan hat wenn es um “Selbstbeschränkung” ging. Letzthin hab’ ich jemanden gehört, dass er “legal” von einem russischen Anbieter für 10 Cents pro Song runterlädt. Sehr schön nicht? Nach russischem Gesetz möglicherweise legal… ja. Interessant wie schnell wir Menschen in solchen Fällen unser Hirn (gerne) ausschalten, nur wenn wir einen Profit davon tragen.

Lustig ist auch immer wieder die Argumentation: “Die Musikindustrie soll die Künstler zuerst mal anständig bezahlen!” Soll damit den illegalen Downloadern das Gewissen erleichtert werden? Laden sie nimmer illegal runter, wenn die Musikindustrie plötzlich doppelt so gut zahlen würde? Mitnichten. Einfach ein Scheinargument, welches Wasser und Brot vergleicht.

Gut, dafür können wir “unsere” Jugend ja sinnlos überteuerte Handy-Klingeltöne runterladen lassen und sie so ausbeuten… irgendwer macht immer die Geschäfte.

Schlussendlich ist es nunmal so, dass sich die meisten Menschen sagen: Warum soll ich was zahlen, wenn ich es gratis haben kann? Ich bin ja nicht dumm!
Dabei ist jedoch die “Geiz ist geil!” – Mentalität ziemlich nahe. Und davon halte ich schlicht nichts, weil sie zwar kurzsichtig positiv (für den Einzelnen) ist, langfristig aber Auswirkungen hat, dass es einem grün und blau werden kann.

Auf der anderen Seite (obwohl ich immer so nett “illegal” schreibe): Man sollte nicht unsere Jugend kriminalisieren, das ist schlicht lächerlich. Schliesslich stellen “wir” Erwachsenen der Jugend ja die entsprechenden tech. Einrichtungen zur Verfügung.

Oliver - 19.10.2011
 

Harald_mz

Benutzer
Vielleicht sollte man aber auch einmal bedenken, dass "die Musikindustrie" (wer gehört eigentlich alles dazu?) heute fast nur noch massenkompatiblen Einheitsbrei produziert. Künstler, die da etwas Eigenes, vom Massengeschmack abweichendes produzieren wollen, können das ja praktisch nur via Internet verbreiten.
Du schreibst, "nationale Acts" werden aus Kostengründen nicht mehr produziert - warum? Vielleicht wären gerade diese Acts, das Überlebenskonzept der Industrie? Es ist immer leicht, anderen die Schuld zu geben, um von eigenen Fehlern abzulenken.

Harald.
 
Oben