8. Teil
Was waren wir froh, als endlich der September kam. Die spanischen Betriebe begannen wieder zu arbeiten, die Strände und Supermärkte wurden leerer. Jetzt konnte man am Abend auch mal wieder eine Bar oder ein Restaurant aufsuchen und bekam ohne Probleme einen Platz. In dieser Richtung kannten wir uns noch nicht gut aus. Überhaupt – Bekanntschaften hatten wir noch keine geschlossen. Es wurde Zeit, den Kopf aus unserem Schneckenhaus zu strecken.
Als fleißige Leser der Costa Blanca Nachrichten hatten wir dem Namen nach schon einige Lokalitäten kennengelernt, die wir jetzt besuchen wollten. Wir gingen davon aus: wer in der CBN wirbt, hat in erster Linie deutschsprachige Kundschaft. Es gab reichlich Auswahl, auch in der Gegend von Moraira. Da war das Tropical, das Old Germany, die Bayern Hütt´n um nur einige zu nennen. Nacheinander besuchten wir sie alle und wurden bald mehr oder weniger Stammgäste.
Eines Tages kamen wir in der Bayern Hütt´n mit einem Deutschen ins Gespräch. Wir hatten ihn bereits mehrmals dort gesehen, man grüßte sich und war schon fast bekannt. Er fragte, ob wir nun in Spanien bleiben würden. Stolz nickten wir. Er wies auf unser Auto mit den deutschen Kennzeichen und schaute uns sehr ernst an.
„Sie wissen, dass es verboten ist, sich mit deutschen Kennzeichen länger als 6 Monate in Spanien aufzuhalten?“
Wir schauten erstaunt. Nein, das wussten wir nicht. Wir waren doch in Europa! Der freundliche junge Mann klärte uns auf, dass die Polizei das Recht habe, unser Auto zu konfiszieren, sollte es länger als ein halbes Jahr mit ausländischen Kennzeichen in Spanien gefahren werden.
Wir waren schockiert. Er malte uns aus, wie hoch die Strafe und die Auslösekosten für das Fahrzeug sein würden. Das hatte uns keiner gesagt. Was nun?
“Wir gehen morgen gleich zu unserem Makler. Der macht doch alle möglichen Abwicklungen. Wir fragen ihn und lassen das Fahrzeug durch ihn nach Spanien einführen“, sagte meine Mann.
„Nein! Auf gar keinen Fall“, sagte ich. „Die haben uns genug über den Tisch gezogen. Ich will mit denen nichts mehr zu tun haben!“
Der Deutsche mischte sich ein.
„Dazu brauchen Sie doch keinen Makler, auch keine Gestoria – das ist eine Art von Steuerberater. Das wird doch alles viel zu teuer. Was meinen Sie, was die sich bei so einer Auto-Importation in die eigenen Taschen stecken?“ Er schüttelte angewidert den Kopf.
„Ja, aber wie können wir es denn sonst machen? Wir sprechen kein Spanisch und wüssten überhaupt nicht, an wen wir uns wenden müssten“, meinte mein Mann.
„Allein machen können Sie es nicht. Selbst wenn Sie noch so gut Spanisch sprechen. Sie müssten zur Trafico, also dem Straßenverkehrsamt, nach Alicante. Dort geht es rund. Als Privatperson hat man keine Chance, überhaupt an einen Schalter zu gelangen.“
Wir fragten ihn, ob er einen Tipp für uns hat. Er hatte. Ganz zufällig beschäftigte er sich hauptberuflich mit der Einfuhr von Fahrzeugen aus den europäischen Ländern nach Spanien. Der Mann war also von „Fach“. Was für ein Glück. Wir kannten ihn ja schließlich durch häufiges Sehen und er schien auch wohl bekannt in diesem Lokal.
Wir fragten ihn, ob er die Einfuhr für uns übernehmen würde und wie sich das abspielt.
Nun, er brauchte von uns die Fahrzeugpapiere, die N.I.E.-Nummer des Halters, eine Passkopie und eine unterschriebene Vollmacht. Dann würde er nach Alicante fahren und innerhalb von 3-4 Tagen hätten wir die neuen Papiere mit den neuen Nummernschildern. Unsere Nummernschilder aus Deutschland sollten wir anschließend an das zuständige Straßenverkehrsamt in Deutschland zurücksenden, um das Auto dort abzumelden. Ganz einfach.
„Ja, aber, wenn Sie die Originalpapiere des Fahrzeuges brauchen, können wir ja in der ganzen Zeit nicht fahren“, sagte mein Mann.
„Hm, ja. Sie brauchen das Auto. Gut… ich könnte die Sache natürlich auch an einem Rutsch abwickeln, aber dann muss ich praktisch den ganzen Tag in Alicante verbringen. Das kostet etwas mehr!“
„Das wäre wunderbar, wenn Sie das in einem Tag erledigen könnten. Sehen Sie, wir sind auf unser Auto angewiesen. Unsere Urbanisation liegt zu weit vom Ortskern oder dem nächsten Supermarkt entfernt, um die Wege zu Fuß zu erledigen.“
Wir vereinbarten für den nächsten Tag ein Treffen bei uns zu Hause. Wieder würden wir ein Stück mehr ansässig werden – mit spanischen Kennzeichen an unserem neuen Auto!
Karl, so hieß der hilfsbereite Deutsche, kam pünktlich zum vereinbarten Termin. Naja, es war halt gut, Geschäfte mit Landsleuten zu machen, dachten wir uns. Wir übergaben ihm die Papiere und unterschrieben die von ihm mitgebrachte Vollmacht in spanischer Sprache. Die Autoschlüssel brauchte er ja nicht, denn das Fahrzeug musste nach seinen Aussagen nicht vorgeführt werden. Natürlich, es war ja auch neu. Das leuchtete ein.
Er rechnete uns vor, was er an Auslagen und Gebühren benötigte.
Die Fahrt nach Alicante und zurück, der Aufenthalt dort für mindestens 6 Stunden, die Einfuhrgebühren, die Steuer, die neuen Nummernschilder und, und, und. Es war wieder einmal ein herber Aderlass. Aber was blieb uns übrig? Wir wollten unser Auto nicht verlieren!
Der Mann verließ uns mit unseren Autopapieren und einem Batzen Geld.
Ich glaube, es ist überflüssig zu erwähnen, dass wir weder diesen Karl noch unsere Autopapiere je wieder sahen – vom Geld einmal ganz abgesehen.
Als uns nach zwei Tagen so langsam dämmerte, dass wir mal wieder Lehrgeld gezahlt hatten fuhren wir – auch ohne Papiere – zu einem richtigen Steuerberater. Ihm klagten wir unser Leid. Er besorgte die Importation, die neuen Dokumente mit allem Drum und Dran.
Leider war er noch etwas teurer als Karl, aber wir bekamen die Ummeldung und neue Papiere.
Später erfuhren wir von Peter, dem Wirt der Bayern Hütt´n, dass Karl nicht nur mit unserem, sondern auch mit dem Geld von etlichen anderen Dummen zurückgegangen war nach Deutschland. Es wusste sich für ihn gelohnt haben.
Wann würden wir anfangen zu lernen?