Rätsel Krimi

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Anonymous

Guest
Rätselkrimi von Roger Graf.

Mein Herz schlug heftig, als ich den blauen Mantel abtastete. In der rechten Manteltasche fand ich, was mein Diebesherz am meisten beglückt: ein prall gefülltes Portemonnaie. Die restlichen Jacken tastete ich im Eilverfahren ab. All das dauerte nicht mal zwei Minuten. In einem Innenhof machte ich es mir neben einer Mülltonne gemütlich. Manchmal gelang es mir, mit einer Bancomat-Karte Geld abzuheben, weil der Besitzer oder die Besitzerin den Code der Karte ins Adressbuch geschrieben hatte. Diesmal begnügte ich mich mit den 400 Franken, die ich im Portemonnaie fand. Die Ausweise und Kreditkarten wollte ich in die Mülltonne werfen, so wie ich es immer tat. Doch diesmal fiel mein Blick auf die Identitätskarte, und im gleichen Moment war es um mich geschehen. Ein geheimnisvoll lächelndes Gesicht, umspielt von langen gelockten Haaren, schaute mir entgegen. Eine Ewigkeit verging, bis ich wieder richtig denken konnte. Unbekannte Schöne Nur weg von hier. Doch im Innenfach des Portemonnaies stiess ich auf zwei Fotos. Sie zeigten die gleiche Frau, an einen Stehtisch lehnend, in der linken Hand eine Zigarette - was für ein Anblick! Ich war trunken vor Glück, und wie ein Betrunkener wusste ich später nicht mehr, wie ich nach Hause gekommen war. Ich wusste nur, dass ich diese Frau kennenlernen musste. Es ging nicht anders. Ich sah sie, wie sie das Haus verliess, in dem sie wohnte - dritter Stock links. Tagsüber arbeitete sie in einer Bank, sie trug elegante Kleider, unterhielt sich mit glattrasierten jungen Männern, die alle aussahen wie Eigenheimbesitzer in den Werbespots. Abends legte sie die strenge Kleidung ab und ging in Jeans und einem Schlabberpulli in die Schule für Erwachsene, wo sie Kurse in Englisch und Französisch besuchte. Nach der Schule ging sie, oft wieder in eleganter Kleidung, mit teure Autos fahrenden Männern essen. Doch fast immer kehrte sie allein in ihre Wohnung zurück. Ganz allein war sie nie. Ich war jetzt immer in ihrer Nähe, lebte vom Geld, das auf meinem Bankkonto spärliche Zinsen abwarf. Meine Sehnsucht nach ihrer Nähe verhinderte, dass ich auf Diebestour ging. Und meine Schüchternheit verhinderte, dass ich sie ansprach. Doch dann kam er, dieser Moment, auf den ich immer gewartet hatte - ganz plötzlich und alles nur, weil meine Blase brannte und ich dringend aufs Häuschen musste. Ich ging in ein Tea-Room gegenüber dem Haus, in dem sie gerade den Englischkurs besuchte. Als ich wieder die Treppe hochstieg, sah ich, wie sie sich an einen Tisch setzte - nicht an irgendeinen Tisch, nein, an jenen, an dem ich mich hingesetzt hatte. Das Tea-Room war eng und gut besucht. Ein Zufall also. Aber den wollte ich nutzen. Ich lächelte, setzte mich, sah aber gleich, dass sie nicht in Stimmung war, um mit mir zu reden. Sie zündete sich eine Zigarette an, hielt das Feuerzeug lange in ihrer linken Hand, inhalierte tief und wählte mit ihrem Mobiltelefon eine Nummer. Etwas bereitete mir Unbehagen bei ihrem Anblick. Ich wusste nur nicht, was es war. Sie war bezaubernd wie immer. Aber etwas störte mich. Ich versuchte, sie nicht anzustarren, was mir schwerfiel. Noch schwerer fiel es mir aber, sie anzusprechen. Schliesslich sagte ich: "besetzt?" und zeigte auf ihr Handy. Sie schaute mich wütend an. "Was geht dich das an, du Idiot?" Die liebenswerteste Person, die mir je begegnet war, schmetterte all meine Gefühle mit einem Satz nieder, walzte durch mein Herz und schüttelte mich ab wie ein lästiges Insekt. Ich folgte ihr trotzdem. Sie ging zu ihrem Wagen, setzte sich hinters Steuer, fuhr jedoch nicht los. Ich sah, wie sie sich eine Zigarette anzündete. Erneut stutzte ich. Doch diesmal wurde mir klar, weshalb. Als sie losfuhr, gelang es mir, ihr in meinem Wagen zu folgen. Es wurde eine lange Reise durch die Nacht. Sie endete weit ausserhalb der Stadt vor einem verfallenen, kleinen Haus an einem Waldrand. Ich schlich um das Haus und sah durch ein Fenster, wie sie in den Keller ging. Ich hörte erstickte Schreie aus dem Keller und spürte mein Herz laut und schnell pochen. Held wider Willen: Ich schlich nach unten. Dann sah ich sie. Sie war auf einem Eisenbett angekettet, den Mund mit einem Pflaster zugeklebt. Schön war sie, schön und voller Angst. Und neben ihr die böse Schwester, die Zwillingsschwester. Ich hörte ihre Stimme. Niemand vermisst dich, niemand vermisst die erfolgreiche Sabine - alle machen der erfolglosen Susanne den Hof. Ich habe es immer gewusst. Ich hörte meine eigene Stimme, ein bebendes Kreischen. «Ich vermisse sie, ich liebe sie. "Die böse Schwester war wie gelähmt, ich hatte keine Mühe, sie zu überwältigen. In der Zeitung feierte man mich wie einen Helden. Doch meine grosse Liebe umarmte mich nur wie einen Lebensretter und netten Kerl. Geheiratet hat sie schliesslich einen dieser braungebrannten Bankangestellten. Und ich besuche abends wieder Kurse für Erwachsene. Nie länger als zwei Minuten, ihr wisst schon, weshalb."

Nun die Frage: warum stutzt er als er die Frau im Tea Room sitzen sieht?


Auflösung demnächst....
 
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Anonymous

Guest
Auflösung:
Der stutzt weil sie das Feuerzeug in der linken Hand hat und folglich mit rechts das Mobiltelefon wählt, also Rechthänderin ist. Auf dem Foto hatte die Frau in der linken Hand eine Zigarette, ist folglich Linkshänderin.

Jawohl Miss Marple, Sie haben gelöst
 
A

Anonymous

Guest
Oh, Mensch, ja! Das war doch letzten Sommer die Studioaufnahme mit Gerardo!
Ätzend, wie der sich immer in den Vordergrund gegröhlt hat. Hohe Töne wie ein Eunuch
 
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