A
Anna
Guest
Artikel von Wolfgang Schmidbauer (Psychoanalytiker, der sich mit Gesellschaftlichen "Phänomenen" beschäftigt).
Zitat:
Was sind das nur für Mütter? Wenn wieder einmal ein Kind von der eigenen Mutter mißhandelt oder gar getötet worden ist, hören wir diese vorwurfsvolle, ratlose Frage. Und selten war sie lauter, als in diesen Tagen [...] Die Frage steht für eine bequeme Illusion. Sie lautet: es gibt so etwas wie einen Mutterinstinkt, eine angeborene, unbeirrbare Neigung, sein eigen Fleisch und Blut zu schützen und alles zu tun, um es vor Übel zu bewahren.
Dieser Irrglaube prägt die öffentlichen Reaktionen dieser Tage und verleugnet Tatsachen, die an sich längst bekannt sind, aber gern vergessen werden. In Wahrheit ist die Beziehung zwischen Mutter und Kind wie alle hoch leidenschaftlichen und existenziellen Beziehungen nämlich ambivalent, das heißt gemischt aus Haß und Liebe. Wenn Mütter offen ohne Erwartungsdruck sprechen können, wenn das Gute also nicht von vornherein erzwungen werden soll, dann erzählen sie uns doch recht genau, wie oft sie immer wieder ihr armes hilfloses Baby am liebsten gegen die Wand klatschen würden.
Wir sollten uns eingestehen, daß die Neigung nur allzu menschlich ist, Kinder lästig zu finden und ihnen das Existenzrecht abzusprechen. Dann können wir gelassener nach jenen Bedingungen suchen, welche die Stabilität der mütterlichen Zuwendung ermöglichen, die für das Überleben der meisten Menschen so unendlich wichtig ist.
[...]
Wenn wir nach emotionalen Grundlagen der Mutterschaft suchen, finden wir nirgens eine isolierte, mit einem Kind allein gelassene Frau. Wir finden eine Gruppe, Frauen und Männer, die sich fürsorglich um das Neugeborene organisieren und es begrüßen. In allen Primitivkulturen wandern die Säuglinge von Arm zu Arm. Eine Mutter hat nur in absoluten Ausnahme- und Notsituationen zu bewältigen, was heute vielfach normal ist: unter Einzelhaftbedingungen Tag und nacht füt ein Baby zuständig zu sein. Das sie versorgen muß, weil sie es schliesslich "selbst eingebrockt" hat. Nur wer sich selbst ein Leben lang emotional von Kindern ferngehalten hat oder aber ein unerschütterlicher Gutmensch ist, wird nicht verstehen, daß unter solchen Bedingungen nicht die Liebe wächst, sondern Hass und Wut zu kurzfristigen Befreiungstaten führen können.
[...]
Das Schwinden der Großfamilie mag unser Sexualleben aus der erdrückenden Kontrolle einer erweiterten Verwandschaft befreit haben. Aber es hat auch dazzu geführt, daß nicht mehr eine einfühlende, erfahrene Frauengruppe das Baby betreut. Zwei Partner tun es, hinter denen ein von Männern gemachtes Gesetz steht. Das liebende Paar ist aber ein anspruchsvolles und gar nicht selten höchst instabiles Milieu. In Wunschträumen festigen die Kinder die Ehe; in der Realität treiben Geburten die Scheidungsziffer auf ihren frühen Höhepunkt. Fehlt der leibende Partner, dann regieren Gesetze und Experten, welche den Müttern beibringen, was sie tun und was sie lassen sollen.
Das Kind wächst in der Mu´tter, sie erlebt es als einen Teil ihres eigenen Selbst, und sie kann es nur so sehr lieben, wie sie sich selbst liebt. [...]
Pflichtgefühl genügt nicht, um aus einer Frau eine genügend gute Mutter zumachen. [...] Wenn Mütter versagen, heißt das auch, daß die Umgebung versagt hat, indem sie die Mutter in einem hoch gefährdeten Stadium allein gelassen hat. Abscheu, Entsetzen und Wut gegen die Rabenmutter sollten also lieber dem Nachdenken weichen, wie gut eigentliche eine Gesellschaft für ihre Kinder sorgt, die Mütter zur unbedingten Mutterliebe verpflichten will, ohne sie dabei angemessen zu unterstützen. Es ist trivial mehr Liebe einzufordern. Aber es ist doch längst nicht so töricht, wie die ewige Forderung nach strengeren Gesetzen und schärferen Kontrollen, die in Situationen wie [...] immer wieder laut wird. Hilfreich wäre es allein, jene Bedingungen zu schaffen, die an der Einsamkeit und Auslieferung isolierter Mütter etwas ändern.
Zitat:
Was sind das nur für Mütter? Wenn wieder einmal ein Kind von der eigenen Mutter mißhandelt oder gar getötet worden ist, hören wir diese vorwurfsvolle, ratlose Frage. Und selten war sie lauter, als in diesen Tagen [...] Die Frage steht für eine bequeme Illusion. Sie lautet: es gibt so etwas wie einen Mutterinstinkt, eine angeborene, unbeirrbare Neigung, sein eigen Fleisch und Blut zu schützen und alles zu tun, um es vor Übel zu bewahren.
Dieser Irrglaube prägt die öffentlichen Reaktionen dieser Tage und verleugnet Tatsachen, die an sich längst bekannt sind, aber gern vergessen werden. In Wahrheit ist die Beziehung zwischen Mutter und Kind wie alle hoch leidenschaftlichen und existenziellen Beziehungen nämlich ambivalent, das heißt gemischt aus Haß und Liebe. Wenn Mütter offen ohne Erwartungsdruck sprechen können, wenn das Gute also nicht von vornherein erzwungen werden soll, dann erzählen sie uns doch recht genau, wie oft sie immer wieder ihr armes hilfloses Baby am liebsten gegen die Wand klatschen würden.
Wir sollten uns eingestehen, daß die Neigung nur allzu menschlich ist, Kinder lästig zu finden und ihnen das Existenzrecht abzusprechen. Dann können wir gelassener nach jenen Bedingungen suchen, welche die Stabilität der mütterlichen Zuwendung ermöglichen, die für das Überleben der meisten Menschen so unendlich wichtig ist.
[...]
Wenn wir nach emotionalen Grundlagen der Mutterschaft suchen, finden wir nirgens eine isolierte, mit einem Kind allein gelassene Frau. Wir finden eine Gruppe, Frauen und Männer, die sich fürsorglich um das Neugeborene organisieren und es begrüßen. In allen Primitivkulturen wandern die Säuglinge von Arm zu Arm. Eine Mutter hat nur in absoluten Ausnahme- und Notsituationen zu bewältigen, was heute vielfach normal ist: unter Einzelhaftbedingungen Tag und nacht füt ein Baby zuständig zu sein. Das sie versorgen muß, weil sie es schliesslich "selbst eingebrockt" hat. Nur wer sich selbst ein Leben lang emotional von Kindern ferngehalten hat oder aber ein unerschütterlicher Gutmensch ist, wird nicht verstehen, daß unter solchen Bedingungen nicht die Liebe wächst, sondern Hass und Wut zu kurzfristigen Befreiungstaten führen können.
[...]
Das Schwinden der Großfamilie mag unser Sexualleben aus der erdrückenden Kontrolle einer erweiterten Verwandschaft befreit haben. Aber es hat auch dazzu geführt, daß nicht mehr eine einfühlende, erfahrene Frauengruppe das Baby betreut. Zwei Partner tun es, hinter denen ein von Männern gemachtes Gesetz steht. Das liebende Paar ist aber ein anspruchsvolles und gar nicht selten höchst instabiles Milieu. In Wunschträumen festigen die Kinder die Ehe; in der Realität treiben Geburten die Scheidungsziffer auf ihren frühen Höhepunkt. Fehlt der leibende Partner, dann regieren Gesetze und Experten, welche den Müttern beibringen, was sie tun und was sie lassen sollen.
Das Kind wächst in der Mu´tter, sie erlebt es als einen Teil ihres eigenen Selbst, und sie kann es nur so sehr lieben, wie sie sich selbst liebt. [...]
Pflichtgefühl genügt nicht, um aus einer Frau eine genügend gute Mutter zumachen. [...] Wenn Mütter versagen, heißt das auch, daß die Umgebung versagt hat, indem sie die Mutter in einem hoch gefährdeten Stadium allein gelassen hat. Abscheu, Entsetzen und Wut gegen die Rabenmutter sollten also lieber dem Nachdenken weichen, wie gut eigentliche eine Gesellschaft für ihre Kinder sorgt, die Mütter zur unbedingten Mutterliebe verpflichten will, ohne sie dabei angemessen zu unterstützen. Es ist trivial mehr Liebe einzufordern. Aber es ist doch längst nicht so töricht, wie die ewige Forderung nach strengeren Gesetzen und schärferen Kontrollen, die in Situationen wie [...] immer wieder laut wird. Hilfreich wäre es allein, jene Bedingungen zu schaffen, die an der Einsamkeit und Auslieferung isolierter Mütter etwas ändern.