Equipment Test: Line 6 POD HD500 (HD400 + HD300)

Joaquin

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Teammitglied
Vor kurzem las man, dass Line6 einen neuen POD herausbringen wollte, bei dem sie die Herangehensweise der Simulation für Gitarrenverstärker neu überdenkt hatten. Diese sollte nun dank modernerer Computerchips und der zur Verfügung stehenden Rechnenpower dann auch für den Massenmarkt umsetzbar und bezahlbar sein können. Und in der Tat lasen sich die vorab angekündigten Preise für die drei Modelle POD HD300, POD HD400 und POD HD500 sehr verlockend. Denn neuere Modellingkombonenten wie der Axe FX von FractalAudio oder das Eleven Rack, kosteten locker mal das doppelte.

Gerne hätte ich mir, nach all den sich überschlagenden Kritiken, den Axe FX gegönnt. Aber er war mir einfach zu teuer und eine MIDI-Leiste war hier auch von Nöten und gute MIDI-Leisten kosten auch ihr Geld. Mit einem POD-XT-Live und dem Nachfolger POD-X3-Live war ich zudem als eierlegende Wollmilchsau recht zufrieden. Ein Modeller mit zahlreichen Effekten in Bodentreterform, was am Computer angeschlossen auch als vollwertige Recordingschnittstelle fungierte. Was will man da mehr?

Ein Musiker sucht immer nach „mehr“ Sound und als Technikbegeisteter sucht man auch gerne nach den neusten Gadgets.

Eine eingespielte Gitarre in einer Aufnahme von einem Modeller, egal ob POD oder Axe Fx, von einem echten abgemikten Gitarrenverstärker zu unterscheiden, dass war schon lange nicht mehr möglich. Was den Gitarristen jedoch fehlte, war die Lebendigkeit der Gitarrenverstärkersimulationen. Das Feeling/Gefühl eines echten Gitarrenverstärkers. Hier hatte bisher der Axe Fx vor allen anderen Modellern zu überzeugen gewusst. Dies war dann auch die neue Messlatte, an der sich die neuen Modeler messen mussten. Wie fühlt es sich beim spielen an? Nicht nur ob es authentisch auf einer Aufnahme klingt, sondern ob es sich auch authentisch für den Musiker beim spielen anfühlt?

Und genau dies war nun das Versprechen Line6, eine noch nie da gewesene Dynamik in einem POD dank bis zu zehnfacher Rechenpower. Dazu noch all die schönen Effekte der von Line6 hoch gelobten DL4, MM4, FM4 und DM4 Pedale.

Wo beim Vorgänger noch so richtig geprotzt wurde und neben 79 Gitarrenverstärker auch noch 26 Bassverstärker und 6 Preamp Models integriert waren, beschränkt man sich beim HD nun auf lediglich 16 Gitarrenverstärker, nach dem Motto, weniger ist mehr und Qualität statt Masse. Angesichts des Wegfalls der Bass- und Preamps und anderer Nachteile gegenüber dem POD X3, ist ein Umstieg und Wechsel nicht für jeden eine Option, aber dazu später mehr.

Beim Auspacken fallen folgende Dinge auf. Es gibt kein Handbuch mehr, sondern nur ein kleines Einführungsbuch (POD HD500 Quick Start Guide). Wer das vollständige Handbuch (POD HD500 Advanced Guide) lesen will, muss es sich von der Line6 Seite herunter laden und dort zur Zeit auch nur in Englisch.

Auch wird ein Imbusschlüssel mitgeliefert, welcher beim POD X3 Live noch untem im Gehäuse angebracht war und bei Bedarf herausgeholt werden konnte um die Gängigkeit des Fußpedales einzustellen. Diesen gibt es beim POD HD nun lose dazu, wobei ich im Handbuch werde etwas zu Imbus-Schlüssel, noch zu Hex Key gefunden habe. Da wird sicher jeder Neuling Fragen was Line6 nun mit Ikea zu tun hat...

Die Gummiabdeckung für den Variax-Anschluss lag ebenfalls lose bei. Auch hier wird sich ein Neuling in Sachen Line6 Produkten fragen, wozu das Teil eigentlich da ist?

Eine Neuerung fällt dann beim Netzteil auf, welches ein universelles Netzteil ist mi drei auswechselbaren, länderspezifischen Steckköpfen. Mit dem Netzteil fällt dann bei der ersten Inbetriebnahme dann auch etwas ganz ungewöhnliches auf, die neuen PODs haben keinen Ein-/Aus-Schalter. Das ist für mich nicht gerade eine gute Lösung für ein derartiges Gerät. Ebenso fehlt nun auch der Stahlbogen vor den Amp- und Masterregler beim POD HD 500. Beim POD HD300 und dem POD HD400 ist wenigsten ein großer Bügel zum Schutz aller Bedienelemente vorhanden. Auch das halte ich für weniger gelungen und finde hier wurde an der falschen Seite gespart. Insgesamt macht der POD HD500 aber einen stabilen und Livetauglichen Eindruck.

Aber es wurde beim neuem POD HD nicht nur gespart, denn nach dem Plastikgehäuse des POD X3 kommen die neuen POD HDs nun endlich wieder in einem Metallgehäuse daher. Liegt aber wohl auch daran, dass diese ebenfalls als Floarboards für die neuen Vollröhrenamps DT50 von Line6 angedacht sind und da macht sich Plastik nun wirklich nicht gut.

Alle drei PODs (POD HD300, POD HD400 und POD HD500 ) bedienen eine unterschiedliche Klientel, wobei ich mich für den großen Bruder, dem POD HD500 entschieden habe. POD HD300 und POD HD400 gehen mehr in die Richtung VOX Tonelab was die Bedienung angeht. Hier kommt man schnell, intuitiv und leicht über die vorhandenen Bedienelemente am Gerät zum gewünschtem Sound. Der POD HD500 macht sich dagegen besser am Rechner um sein ganzes Potential auszuschöpfen.

Die erste Inbetriebnahme funktioniert dann auch ohne Probleme, wobei ich ihn sofort per USB an den Computer geschlossen habe. Also zuerst ist ein Update der „Line 6 Monkey“ Software nötig gewesen. Anschließend registriere ich das Gerät auf der Line 6 Homepage um dann die benötigten Treiber herunter zu laden, den Rechner neu zu starten und am Ende das neue Update für den POD HD einzuspielen. Was für eine schöne, moderne Computerwelt...

Natürlich ist das nicht das Ende, denn Line 6 hat zu den neuen POD HDs auch eine neue Software entwickelt. Also weder „GearBox“ noch „Line 6 Edit“ laufen mit dem POD HD500 ich muss dafür noch die neue Software „POD HD500 Edit“ herunter laden. Immerhin, sie schaut etwas besser aus, auch wenn einige Sachen dort noch nicht optimal gelöst sind, wie ich finde.

Während ich das Zeug installiert habe konnte ich zumindest die vielberüchtigten Presets antesten. Presets, dass heißt in der Regel wenig brauchbare Sounds, dafür aber die geballte Ladung an Effekten für die Ohren. Sagen wir es mal so, Anfänger lassen sich mit derlei Klangtepischen gerne beeindrucken, aber erfahrene Musiker möchten dagegen eher praxistaugliche, ehrliche Presets. Letzteres lässt sich aber auch schwer bei einem derartigem Gerät realisieren, da jeder eine andere Gitarre spielt. Wo ein Preset mit Gitarre A umwerfend klingt, klingt es mit Gitarre B überhaupt nicht.

Für mein Life-Setup benutze ich bis auf wenige Ausnahmen recht einfach und konventionelle Soundskonstruktionen. Ab und an einen Compressor, dezent Raum durch etwas Hall, Delay für Lead und als zuschaltbaren Hall, etwas Chorus bei einigen cleanen Spounds und das wars. So kann ich auch mein Programm zur Not auch nur Akkustich ohne Effekte fahren oder mit einem einfachen, Zweikanal-Notsystem. Aber ich bin auch ein Fan von guten, abgefahrenen Effekten und da gibt es einige im POD HD500 die mich wirklich positiv erstaunt haben. Ich hab kaum eine Ahnung wie und wo ich diese Effekte bentuzen kann, aber sie klingen wirklich toll. Überhaupt merkt man beim ersten Anspielen, dass die Qualität der Effekte definitiv besser ist als beim POD X3.

Beim antesten der Amps, kommt erst einmal keine wirkliche Freude auf. Zuerst einmal fällt das Bedienkonzept des POD HD500 ein wenig anders aus, als bei seinem zwei Vorgängern. Es macht Sinn, wie es verändert wurde, aber es schadet nicht, sich das Handbuch mal kurz vorzunehmen um das neue Konzept dahinter zu verstehen.

Als dann alles steht, versuche ich mit der Software erst einmal nur einen guten Ampsound hin zu bekommen. Dabei habe ich den Kopfhörer am POD HD500 und benutzte diesen gleichzeitig als Soundkarte für den Rechner. So lasse ich mir den Gitarreriff von „Highway to Hell“ von AC/DC vorspielen und versuche dazu den Sound gescheit hinzubekommen. Also Marshall JTM-45 MkII ausgewählt und wie bei meinem bevorzugten Sound aus dem POD XT und POD X3, alle Regler wie in alten Tagen auf Vollanschlag. Was nun mit Steg-Humbucker zu hören ist, kann man als absolut furchtbar bezeichnen. Wäre ja auch zu einfach gewesen, also beginne ich mit den Knöpfen ein wenig herum zu spielen und auch die ein oder andere Mikrofonkombination auszuprobieren. Nach gar nicht mal so langem herumtweaken, komme ich dem Original extrem nahe. Was sich dann aber noch auftut ist dieser Punch. Ja geil, dass Ding drückt ja richtig!

Auch fällt hier auf, dass der Verstärker hier sehr schön auf das Volumenpoti reagiert. Viel besser als bei seinen Vorgängern.

Dann geht es weiter zu der Live-Verison von „Back in Black“. OK, hier scheinen die Sounds etwas mehr Drive zu fahren. Problem ist nun aber der hier verwendete Marshall JTM-45 MkII gibt zumindest mit meiner Gitarre nicht mehr Verzerrung her. Also haue ich in der virtuellen Umgebung einen Verzerrer vor den virtuellen Gitarrenverstärker und nach kurzer Zeit habe ich den Live-Sound von Malcolm Young.

Was hier bereits auffällt, ich kann die Effekte frei im Effektweg einfügen und sogar die Tasten für die Effekte frei wählen.

Nun will ich die Licks von Angus Young spielen und dieser hat einfach mehr GainDrive in seinem Leadsound als der Malcom. Also nehme ich mir einen weiteren und anderen Verzerrer und baue ihn ebenso virtuell ein. Diesen mit etwas mehr Drive und schon habe ich den gewünschten Lead Sound von Angus Young.

Das war bisher auch noch nicht möglich, dass man mehrere Effekte der gleichen Sorte einbauen konnte wo man will und diese dann auch noch frei auf die gewünschten Fußtasten legen konnte. Laut Handbuch ist es sogar möglich, mit einer Fußtaste gleich mehrere Effekte ein und auszuschalten. So also eine komplette Soundkonfiguration oder eine Kaskade von Verzerrern. Dazu musste man bisher extra Presets erstellen und dann auf diese wechseln, wobei mehrere Effekte einer Gattung einzufügen, so nicht möglich war. Diese Lösung hier ist somit um ein vielfaches flexibler.

Hatte man also früher einen Grundsound bei dem man ab und an zum Beispiel Delay, Chorus und Verzerrung dazu schalten wollte um daraus einen Leadsound zu machen, musste dieser in einem extra Preset abgespeichert werden oder man fing schnell an eine Stepptanz zu machen. Im POD HD500 legt man diese Kombination auf eine Taste im selben Preset und fertig ist!

Dann geht es weiter zum frühen Eddie Van Halen. Auch hier lasse ich den Marshall JTM-45 MkII, da, wenn ich mich richtig erinnere, er damals einen heiß gemachten Marshall 100 benutze und haue virtuell einen Rohrenverzerrer davor mich schon viel Drive und etwas weniger Höhen einen Hall und schon steht der Sound und es lässt sich auch wunderbar Tappen.

Dann nochmal kurz Jimi Hendrix. Hier Presenz auf neutral, Hals-Singlecoil und alle anderen Regler auf Anschlag. Den Screamer davor und schon passt der Sound.

Gut dann mal etwas halbwegs cleanes ausprobieren. Für den Leadsound von „The Wall“ von David Gilmour hatte ich beim POD XT recht lange getüftelt. Hier muss ich ein wenig am Hiwatt Custom 100 drehen, etwas Hall, einen Compressor, Hals-Singlecoil und schon steht der Sound.

Ähnlich ergeht es dann auch mit den härteren Sachen. Auch hier kann man einiges an Sounds mit den zur Verfügung stehenden Verstärkern bewerkstelligen, zumal man ja nicht nur die Einstellungen am Verstärker selbst ändern kann, sondern die verwendeten Boxen und Mikrofone.

Die Simulationen und Konstruktion der Signale im Geräte sind auch soweit gelungen, dass man hier weitestgehend auf ein Noise Gate, welches auch als Effekt integriert ist, verzichten kann. Das spricht schon für die Güte des neuen POD HDs.

Ein Feature der neuen POD Reihe ist der eingebaute Looper, der beim POD HD500 mit dem größten Speicher der Serie ausgestattet ist. Diesen habe ich nur kurz angetestet, aber die Funktionen erschließen sich einem sofort und er ist auch leicht und intuitiv zu benutzen.

Auch wenn ich noch nicht alles im Detail testen konnte, steht für mich fest, dass der POD HD500 meinen POD X3 Live ersetzen wird. Meine klanglichen Vorstellungen, sowohl für meine Coverband, als auch für die eigene Soundentfalltung bei eigenen Stücken und Aufnahmen, kann ich mit diesem Gerät leicht und gut umsetzen.
 
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